Was dir nie­mand über den Not­kai­ser­schnitt erzählt

Wer schwanger ist, bekommt viele Geschichten über den Notkaiserschnitt zu hören. Dabei handeln die meisten dieser Geschichten von keinen echten Notfällen.

Long Sto­ry short: Dass die aller­meis­ten Men­schen, die erzäh­len, einen gehabt zu haben, kei­nen hat­ten. Wie­so ist das so? Weil das Wort “Not­kai­ser­schnitt” emo­tio­nal bes­ser passt.

Aber von Anfang an…

Wer schwan­ger ist, der bekommt unge­fragt hau­fen­wei­se Infor­ma­tio­nen. Dar­über, wel­chen Sport man am bes­ten jetzt betrei­ben sol­le, wie­viel Gewicht man zuneh­men dür­fe und unge­fil­ter­te und trau­ma­ti­sche Geburts­ge­schich­ten.

Ganz davon abge­se­hen, dass eine Frau, die zum ers­ten Mal ein Baby bekommt, oft genü­gend eige­ne Ängs­te mit sich her­um­trägt, rate ich als Dou­la und Geburts­vor­be­rei­te­rin auch davon ab, sich sol­che Geschich­ten anzu­hö­ren, weil sie oft fal­sche und ver­zerr­te Infor­ma­ti­on ver­mit­teln. Viel Falsch­in­for­ma­ti­on wird über den Not­kai­ser­schnitt ver­brei­tet.

In mei­nen Yoga Mama Kur­sen erzäh­len Teil­neh­me­rin­nen sehr oft von ihren Freun­din­nen, die eben einen Not­kai­ser­schnitt hat­ten und fra­gen, wie sie einen eben­sol­chen ver­mei­den kön­nen. Teil­wei­se tref­fe ich auch Zweit­ge­bä­ren­de, die mei­nen Kurs machen, weil ihre ers­te Geburts­er­fah­rung ein Not­kai­ser­schnitt war, wie sie berich­ten.

Tat­säch­lich beläuft sich die Not­kai­ser­schnitt­ra­te auf etwas unter einem Pro­zent. Das bedeu­tet, dass etwa 0.8% aller Gebä­ren­den tat­säch­lich einen sol­chen not­fall­mäs­si­gen Kai­ser­schnitt benö­ti­gen. 

Wie­so also spre­chen so vie­le Frau­en davon, einen Not­kai­ser­schnitt gehabt zu haben?

Neben dem geplan­ten Kai­ser­schnitt gibt es noch die sekun­dä­re Sec­tio, also den Kai­ser­schnitt, der zwar nicht erwünscht oder geplant, aber im natür­li­chen Geburts­ver­lauf irgend­wann als not­wen­dig oder ver­nünf­tig erscheint. Vie­le Frau­en wün­schen sich eine natür­li­che Geburt und berei­ten sich dem­entspre­chend vor. Doch im Spi­tal will dann irgend­et­was nicht ganz so, wie sie. Einer der häu­figs­ten Grün­de für einen sekun­dä­ren Kai­ser­schnitt ist der Geburts­still­stand. Ein Geburts­still­stand bedeu­tet, dass die Geburt plötz­lich nicht mehr vor­an geht, dass sich zum Bei­spiel der Mut­ter­mund ein­fach nicht wei­ter öff­nen will oder dass sich das Kind nicht mehr wei­ter ins Becken senkt.

Mei­ner Mei­nung nach kann rela­tiv viel unter­nom­men wer­den, um so eine Geburt wie­der in Gang zu brin­gen. Oft hilft Ruhe und Ent­span­nung – die Grund­vor­aus­set­zung für das Los­las­sen und sich Öff­nen. Den­noch gibt es Situa­tio­nen, in der es der Gebä­ren­de gera­ten wird, die Geburt per Kai­ser­schnitt zu been­den. Viel­leicht ist die Frau schon so erschöpft, dass es kei­nen Sinn mehr macht wei­ter zuzu­war­ten. Viel­leicht sind die kind­li­chen Herz­tö­ne nicht mehr opti­mal. Es gibt vie­le Grün­de, wes­halb also einer Frau, die sich eine natür­li­che Geburt gewünscht hat, nun gera­ten wird, die­se Geburt per Sec­tio zu been­den.

Ich erle­be die­sen Moment oft als einen der emo­tio­nals­ten Momen­te einer Geburt. Die Gebä­ren­de hat sich mona­te­lang auf eine natür­li­che Geburt vor­be­rei­tet. Sie wünscht sich von Her­zen, dass ihr Kind mög­lichst inter­ven­ti­ons­arm auf die Welt kom­men darf. Sie hat mög­li­cher­wei­se schon Stun­den Wehen ver­at­met. Und plötz­lich ist alles vor­bei. Scheint umsonst gewe­sen zu sein (was es nicht war. Jede Wehe ist gut für das Kind und berei­tet es auf die Welt vor). Für vie­le Frau­en bricht eine Welt zusam­men.

Die Ent­schei­dung, nun einen Kai­ser­schnitt zu machen, fühlt sich dra­ma­tisch an. Das Wort Not­kai­ser­schnitt ent­spricht dem inne­ren Leid deut­lich bes­ser, als der Begriff sekun­dä­re Sec­tio.

Not­kai­ser­schnitt. Das Wort hilft vie­len Frau­en, die Ver­ant­wor­tung für den Ein­griff abzu­ge­ben. Bei einem Not­fall, da kann man schliess­lich nicht mehr mit­be­stim­men, da geht es um zu viel.

Ich wün­sche mir, dass wir mehr dar­über spre­chen, dass auch sekun­dä­re Sec­ti­os für vie­le Frau­en schlimm und teil­wei­se sogar trau­ma­tisch sein kön­nen. Dass es weni­ger dar­um geht, wie die Geburt von Aus­sen bewer­tet wird, dass egal ist, was in einem Geburts­be­richt steht. Statt­des­sen zählt, was eine Frau inner­lich erlebt. Wie sie sich wäh­rend und nach einem Ein­griff fühlt. Man weiss heu­te, dass die meis­ten Frau­en, die ein Geburts­trau­ma erlebt haben, nicht zwin­gend eine aus medi­zi­ni­scher Sicht aus­ser­ge­wöhn­li­che Geburt gehabt haben müs­sen.

Der Not­kai­ser­schnitt ist dage­gen ein Kai­ser­schnitt, bei dem es oft um Leben und Tod von Mama oder Kind geht und bei dem es vor allem um eines geht: Dass es schnell geht. Im Unter­schied zur sekun­dä­ren Sec­tio wird des­halb hier die Frau nur noch mini­mal dar­über auf­ge­klärt, wie der Ein­griff nun ablau­fen wird und dann meis­tens in Voll­nar­ko­se ver­setzt. Der Not­kai­ser­schnitt geht schnell: Etwa 5–10 Minu­ten soll­te das Baby hier auf der Welt sein.